Sphaerodactylus fantasticus


(CUVIER, 1836)


Verbreitung:


Sphaerodactylus fantasticus kommt in acht Unterarten auf den Kleinen Antillen vor. Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Montserrat im Norden über Guadeloupe, Marie-Galante und La Désirade bis Dominica im Süden. Der Verbreitungsschwerpunkt liegt auf Guadeloupe, wo folgende Unterarten vorkommen:
Sphaerodactylus fantasticus fantasticus DUMÉRIL & BIBRON 1836 an der Westküste und Sphaerodactylus fantasticus orescius THOMAS 1964 an der Ostküste der Halbinsel Basse-Terre mit sich überschneidenden Verbreitungsgebieten beider Unterarten an der Nord- und Südküste, Sphaerodactylus fantasticus karukera THOMAS 1964 im Westen und Süden von Grande-Terre sowie auf den im Süden vorgelagerten Inseln und Sphaerodactylus fantasticus tartaropylorus THOMAS 1964  im Norden und Osten von Grande-Terre. Bei sich überschneidenden Verbreitungsgebieten kann es zu Mischformen kommen, wie z.B. bei S. f. karukera und tartaropylorus im Südosten von Grande-Terre.
Sphaerodactylus fantasticus anidrotus THOMAS 1964 kommt als einzige Unterart auf Marie-Galante vor. Sphaerodactylus fantasticus hippomanes THOMAS 1964 findet sich auf  La Désirade. Das nördlichste Vorkommen bildet Sphaerodactylus fantasticus ligniservulus KING 1962 auf Montserrat. Das südlichste Verbreitungsgebiet hat Sphaerodactylus fantasticus fuga THOMAS 1964. Diese Unterart kommt in kleinen isolierten Populationen an der Westküste von Dominica vor. Genetische Untersuchungen zeigten, dass diese südliche Ausbreitung erst vor relativ kurzer Zeit stattfand und sich große Ähnlichkeiten zu Sphaerodactylus fantasticus fantasticus im Südwesten von Basse-Terre finden (Thorpe et al., 2008).
Innerhalb des Verbreitungsgebiets von Sphaerodactylus fantasticus findet sich die verwandte Art Sphaerodactylus phyzacinus THOMAS 1965 auf der Inselgruppe Îles des Saintes, südlich von Basse-Terre gelegen. Sie wurde bis 2008 als Unterart von Sphaerodactylus fantasticus geführt. Doch aufgrund von genetischen Untersuchungen und sowie verschiedener morphologischer Merkmale wurde sie in den Status einer eigenständigen Art erhoben.

Beschreibung:


Sphaerodactylus fantasticus ist eine mittelgroße Sphaerodactylus Art mit einer Kopf-Rumpf-Länge von bis zu 29 mm und einer Gesamtlänge bis etwa  60 mm, je nach Unterart. Die einzelnen Unterarten unterscheiden sich sowohl in Größe als auch in der Art der Beschuppung. Am auffälligsten sind die Unterschiede in der Färbung und Musterung des Kopfes und des Körpers. Selbst die Augenfarbe variiert je nach Unterart von hellblau über grau und goldfarben bis braun. Sie bildet damit neben dem Zeichnungsmuster des Kopfes der Männchen eines der Unterscheidungsmerkmale der Unterarten, die sich teilweise in ihrer Kopfzeichnung ähneln.
Die Geschlechter unterscheiden sich in Ihrer Musterung deutlich. Die Männchen aller Unterarten zeigen eine vom Körper deutlich und scharf abgesetzte Zeichnung des Kopfes, dessen Grundfarbe je nach Unterart von hellgrau, beige, braun bis schwarz reicht. Dazu kommt  ein spezifisches Muster aus Punkten, Linien und Streifen.
Die Grundfärbung des Körpers reicht von einfarbig ocker bis hin zu einem kontrastreichen Muster aus braun, hellgrau und schwarz. Der orange bis rötlich gefärbte Schwanz setzt sich farblich vom Körper ab. Als Geschlechtsmerkmal besitzen die Männchen zwischen den Hinterbeinen glänzende Schuppen (Escucheon) und leicht verdickte Hemipenistaschen an der Schwanzwurzel.
Die Weibchen zeigen ebenfalls eine deutlich vom Körper abweichende Musterung des Kopfes, die aus braunen, gelben bis grauen Linien besteht. Sie unterscheidet sich gut von der  Musterung der Männchen.  Die Intensität der Musterung variiert individuell und kann selbst innerhalb einer Unterart von kaum sichtbar bis stark kontrastreich ausgebildet sein. Im Gegensatz zu den Männchen geht bei den Weibchen die Musterung des Kopfes in die des Rumpfes über. Bei mehreren Unterarten  wird dabei ein V-förmiges Linienmuster gebildet, das sich über den Nacken bis auf die Schultern erstreckt. Der Grundton des Körpers variiert je nach Unterart von hellem Ocker bis Dunkelbraun. Oft zeigen sie auf dem Rumpf ein sehr kontrastreiches Muster bestehend aus einzelnen hellgrauen und schwarzen Schuppen. Der Schwanz ist ebenfalls kontrastreich gemustert und unterscheidet sich in seiner Färbung vom Körper durch einen gelblichen bis orangen Farbton. Durch die einfarbig weiße bis graue Bauchdecke kann man bei Trächtigkeit das einzelne große Ei durchschimmern sehen.
Die Jungtiere schlüpfen mit einer Gesamtlänge von 24-26 mm und sind anfangs komplett dunkelgrau gefärbt mit nur schwach ausgeprägtem Linienmuster auf dem Kopf und schwachen Punktmuster auf dem Schwanz. Binnen weniger Wochen bildet sich eine der Weibchen ähnliche Färbung und Musterung heraus. Semiadulte Männchen färben sich nach 4 bis 5 Monaten um, wobei die Umfärbung mehrere Wochen bis Monate in Anspruch nimmt. Da sich in dieser Zeit vor allem die Musterung des Kopfes stark verändert, ist die sichere Zuordnung zu einer der Unterarten nur bei adulten Tieren möglich.

Lebensräume:


Der Lebensraum von Sphaerodactylus fantasticus reicht von niedrigen, trockenen Küstenwäldern bis in halbfeuchte Bergwälder in bis zu 600 m Höhe. Jedoch bilden trockene Wälder in Küstennähe den häufigsten Lebensraum fast aller Unterarten. Diese tagaktive Art lebt fast ausschließlich in der Laubschicht direkt auf dem Waldboden und wird nur selten an Baumstämmen vorgefunden. Bei der  Flucht vor Fressfeinden, wie z.B. großen Anolis-Arten, legen sie nur kurze Strecken von meistens weniger als einen Meter zurück. Fast immer flüchten sie nach unten ins Laub oder in Erdhöhlen, z.B. von Landkrabben.
Auf Dominica kommt beispielsweise die Unterart Sphaerodactylus fantasticus fuga nur in isolierten kleinen Populationen in unmittelbarer Nähe zur Westküste vor. An allen Fundorten fand sich eine geschlossene Laubschicht. Je lichter die Laubschicht, desto weniger Tiere fanden sich. Im Umkreis weniger Meter sind nur noch vereinzelt bis gar keine Tiere anzutreffen. Im idealen Habitat leben etwa ein bis zwei Tiere pro Quadratmeter.
Sphaerodactylus fantasticus karukera und Sphaerodactylus fantasticus tartaropylorus fanden sich auf Grande-Terre ebenfalls im Küstenwald mit geschlossener Laubschicht. An der Südküste von Basse-Terre von Saint-François bis Pointe des Châteaux kommt eine Mischform aus S. f. karukera und tartaropylorus recht häufig vor. Am Typusfundort von S. f. tartaropylorus in Porte d'Enfer an der Nordostküste von Basse-Terre fanden sich dagegen nur vereinzelt Tiere im lichten Küstenwald. Die größte Bestandsdichte fand sich dabei ebenfalls unter Bäumen mit geschlossener Laubschicht.
Auf den Kleinen Antillen herrscht ein ausgeprägter jahreszeitlicher Wechsel von Trocken- und Regenzeit. Die Tagestemperaturen schwanken zwischen 24 °C und 32 °C,  wobei in der Regenzeit oft 25-28 °C am Tage erreicht werden. Nachts kühlt es selten unter 20 °C ab. Die Tiere sind vor allem in den Morgenstunden aktiv und auch leichter Regen stört sie dabei nicht.
In der Natur besteht ihr Nahrung aus kleinen Arthropoden wie Ameisen, Termiten, Springschwänzen und kleinen Spinnentieren. Kleine Ameisen und Termiten, jeweils in einer Größe von etwa 3-5 mm, waren sowohl auf Guadeloupe als auch auf Dominica recht häufig im Habitat der Tiere zu finden und bilden vermutlich ihre Hauptnahrung. Vor Ort gefundene kleinere Käferarten in geeigneter Größe wurden dagegen nicht als Futter angenommen.
Im November zum Ende der Regenzeit fanden sich sowohl auf Guadeloupe als auch auf Dominica zu mehr als 80 % Jungtiere im Alter von wenigen Wochen bis etwa drei Monaten. Nur vereinzelt und selten waren adulte Männchen zu finden. Die Einschätzung bezieht sich auf Beobachtungen von mehr als 100 Tieren an manchen Standorten. Intakte Eier waren zu dieser Zeit kaum noch zu finden.

Haltung und Zucht:


Sphaerodactylus fantasticus unterscheidet sich nicht in der Haltung gegenüber den meisten anderen Arten der Gattung. Aufgrund der geringen Endgröße ist ein Pärchen problemlos in einem abwechslungsreich eingerichteten Terrarium mit einer Kantenlänge ab 20 cm zu pflegen und zu vermehren. Mehrere adulte Männchen oder Weibchen sollten auf Dauer nicht zusammengehalten werden, da sie eine ausgeprägte Aggressivität untereinander zeigen und es zu Beißereien kommen kann. Pärchen harmonieren dagegen gut.
Als Bodengrund empfiehlt sich Sand mit einem leichten Humusanteil, wie man ihn auch im natürlichen Habitat oft findet. Hierzu kann man Sand mit Erde im Verhältnis 2:1 mischen. Als Versteckplätze dienen hauptsächlich Laub und Rindenstücke. Die trockenen Stängelsegmente des Japan-Knöterichs (Reynoutria japonica) werden ebenfalls bereitwillig als Versteck akzeptiert. Um den Tieren mehr Sichtschutz und Kletterfläche zu bieten, empfiehlt es sich die Wände des Terrariums zu beschichten, z.B. mit Fliesenkleber, Torf-Kleber-Gemisch oder mit Korkplatten. Die nötige Luftfeuchtigkeit von 60-80 % erzielt man durch tägliches Sprühen im Terrarium. Die Bepflanzung kann nach Belieben erfolgen. Kleine Ranken und Bromelien helfen dabei das Mikroklima zu verbessern.
Die Beleuchtung kann mit LEDs, Leuchtstoffröhren oder Halogenstrahlern erfolgen. Tagsüber sollte die Temperatur bei 24-30 °C liegen und nachts leicht abfallen. 
Eine kleine Wasserschale und ein Schälchen mit Kalk sollten vorhanden sein. Gefüttert wird Sphaerodactylus fantasticus ein bis zweimal pro Woche mit Arthropoden in geeigneter Größe von bis zu 10 mm. Man sollte sie, um Mangelerscheinungen vorzubeugen, möglichst abwechslungsreich füttern und gelegentlich die Futtertiere mit einem Vitamin-Mineralstoffpulver (z. B. Korvimin ZVT + Reptil) einstäuben. Als Futtertiere werden von den adulten Tieren kleine Heimchen, Grillen,  Schaben, diverse Asseln, Ofenfischchen und diverse Fliegen akzeptiert.
Etwa alle sechs bis acht Wochen legen die Weibchen ein einzelnes, fast rundes Ei in der Größe von 5 x 6 mm. Bis zum Schlupf vergehen je nach Temperatur (24-28 °C) mehr als drei Monate. Die Jungtiere wachsen recht schnell und lassen sich problemlos großziehen. Die Fütterung sollte alle zwei bis drei Tage erfolgen. Die Jungtiere benötigen anfangs sehr kleines Futter in Form von Springschwänzen, winzigen Asseln, frisch geschlüpften Grillen oder Blattläusen. Gesprüht werden sollte einmal täglich, spätestens aber alle drei Tage, um ihren Wasserbedarf zu decken. Nach dem Sprühen sollte bis zum nächsten Tag wieder alles abgetrocknet sein.
Zur Aufzucht dienen gut belüftete Behältnisse von anfangs weniger als 1 Liter Größe. Als Einrichtung genügt eine dünne Schicht aus Kokoshumus oder Sand-Torf-Gemisch und etwas trockenes Laub, z.B. Buche.
Eine Einzelhaltung der Jungtiere ist zu bevorzugen, da die innerartliche Aggressivität sich vereinzelt schon bei ihnen zeigt. Gemeinsam aufgezogene Jungtiere zeigen im Vergleich zur Einzelaufzucht ein teilweise deutlich langsameres Wachstum trotz ausreichender Futtermenge.
Insgesamt betrachtet ist Sphaerodactylus fantasticus eine recht leicht zu haltende Art, wenn genügend abwechslungsreiches Futter in geeigneter Größe zur Verfügung steht.

Literatur:


- Daniells, E. A., N. J. Vélez Espinet, R. S. Thorpe and R. Powell (2010): Sphaerodactylus fantasticus. Catalogue of American Amphibians and Reptiles (876): 1-8.
- R. S. Thorpe et al. (2008): Adaptive radiation in Lesser Antillean lizards - Sphaerodactylus fantasticus, Mol Ecology 17: 1489-1504.

Text und Fotos: Robert Gall, Berlin

Sphaerodactylus fantasticus fuga (Male)

Sphaerodactylus fantasticus fuga (Female)

Sphaerodactylus fantasticus fuga (Semiadult Male)

Sphaerodactylus fantasticus fuga (Hatchling)

Sphaerodactylus fantasticus fuga (Habitat)

Sphaerodactylus fantasticus fuga (Habitat)

Sphaerodactylus fantasticus karukera (Male)

Sphaerodactylus fantasticus karukera (Female)

Sphaerodactylus fantasticus karukera (Habitat)

Sphaerodactylus fantasticus karukera (Male in Habitat)

Sphaerodactylus fantasticus tartaropylorus (Male)

Sphaerodactylus fantasticus tartaropylorus (Female)

Sphaerodactylus fantasticus (Tank)